Landwirtschaft unter erschwerten Bedingungen

Farmhaus an der Biegung des Takhini FlussesWhitehorse ist die Hauptstadt des Yukon Territoriums im Nord-Westen Kanadas. Die 25.000 Einwohner zählende Stadt liegt auf der Höhe des norwegischen Bergen, der Sommer ist kurz und hell, der Winter lang und dunkel. Und trotzdem gibt es hier ambitionierte Menschen, die sich vorgenommen haben, lokale Agrarprodukte herzustellen und einige wenige, die das auf ökologische Weise tun. Ein Besuch auf einer Farm hinter den Küstenbergen an der Biegung des Takhini Rivers.

Frostrisiko im Sommer

Stoff-Tunnel schützen das Gemüse vor kalten TemperaturenEnrica hebt die Plastikplane und blickt gespannt in den Tunnel, unter dem von Wind und Kälte geschützt, englische Gurken wachsen. „Sie sehen nicht sehr glücklich aus“, sagt sie. Es ist zu kalt für die Jahreszeit. Es ist der 24. August die Temperatur beträgt 16 Grad Celsius, der Himmel ist bedeckt und das schon seit zwei Wochen. Überhaupt war dieser Sommer bisher sehr kühl und es hat ungewöhnlich viel geregnet. Normalerweise ist es in der Gegend um Whitehorse sehr trocken, da die Regenwolken, die vom Pazifik kommen, von den Küstenbergen abgehalten werden. Die Saison für Pflanzen und Säen, Gedeihen und Ernten beträgt hier im Süden des Yukon nur drei Monate, von Juni bis August. Das sind die drei frostfreien Monate, wobei es, abhängig von der Lage, immer ein Frostrisiko gebe, erklärt Peter.

Peter Zimmermann während des Gesprächs im Wohnzimmer des FarmhausesEnrica und Peter stammen aus der Schweiz und leben schon seit vielen Jahren in Nordamerika, zuerst in Wisconsin, dann zog es sie nach Alaska, 1997 kamen sie nach Whitehorse in Kanada. Hier trainierte Peter für das legendäre Hundeschlittenrennen, Yukon Quest. Bei einem Trainingslauf verunglückte er und ist seitdem auf einen Rollstuhl angewiesen. Doch die beiden ließen sich nicht  beirren und leben ihren Traum von einem unabhängigen Leben weiter. Nach der Rehabilitation in der Schweiz, kehrten sie zurück in den Yukon. Auf ihrer Farm am Takhini River, die noch im Aufbau ist, betreiben sie eine Hühnerfarm und Gemüseanbau. Durch das Fenster im Wohnzimmer des Blockhauses hat man einen herrlichen Blick auf die Flussbiegung. Und während wir uns im vom Holzofen gewärmten Raum über ökologische Landwirtschaft im Yukon unterhalten, fliegt ein Weißkopfseeadler majestätisch mit einem Fisch in den Krallen vorbei.

Grüne Tomaten

Tomaten gedeihen nur im GewächshausEs ist nicht einfach von einer Farm im Yukon zu leben, doch ihre Philosophie, lokale und gesunde Lebensmittel für sich selbst und die Gemeinschaft zu produzieren, lässt die Idealisten weitermachen. Die Saison dehnen sie aus, indem sie schon im Mai Kartoffeln und Karotten aussäen und zum Schutz vor Frost mit Planen abdecken. Tomaten und Zucchini ziehen sie im Haus vor und verpflanzen sie später nach draußen. Wenn Enrica ihre Pflanzen betrachtet und sanft mit der Hand über die Blätter der Zucchini streicht, erstrahlt ihr Gesicht und ihre Liebe zu diesen Gewächsen wird für den Betrachter fühlbar. Die Tomaten gedeihen nur im Gewächshaus, dort zeigt das Thermometer heute immerhin 22 Grad Celsius an. Noch sind sie klein und grün, bleibt zu hoffen, dass die kommenden Tage und vielleicht auch der September sonnig werden. Ansonsten müssten sie sich überlegen grüne Tomaten einzumachen. Dabei erinnern wir uns an den herrlichen Spielfilm „Grüne Tomaten“.

„Eigentlich kann man hier alles pflanzen“, erklärt Peter. Besonders gut funktionieren alle Wurzelgemüse wie Kartoffeln, Karotten, Petersilienwurzeln und Rote Beete. Aber auch Kohl, Radieschen, Spinat, Salat gedeihen gut. Was nicht geht sind Früchte, außer Beeren. Schwierigkeiten machen ihnen ungebetene Gäste, auch Wapiti-Hirschen schmeckt Ökologisches. Die Wildtiere haben den Stofftunnel über dem Salat aufgerissen und davon gekostet. Demnächst muss daher ein starker Zaun installiert werden, um diesem Schwund Herr zu werden.

Glückliche Hühner

Artgerechte Hühnerhaltung100 Hühner leben in einem komfortablen Stall mit Hühnerleitern, Legekästen und mit viel Auslauf nach draußen. Enrica beeindruckt uns, als sie einer braunen Henne sanft übers Gefieder streicht und sagt: „Das ist Maria.“ Ob sie allen Hennen einen Namen gegeben hat und wie kann sie sie auseinander halten, fragen wir uns im Stillen. Dann fährt sie ruhig fort: „Alle braunen Hennen sind Maria und alle weißen Hennen heißen Angelina.“ Ein Lächeln zieht durch ihr Gesicht, als ob sie sich darüber freut, sich mit uns einen Scherz gemacht zu haben. Der Stall wird von Oktober bis März mit Holz auf 20 Grad Celsius beheizt, so dass sich die Hühner wohlfühlen können und Eier legen. Nur während der natürlichen Legepause, die etwa nach einem Jahr einsetzt, produzieren Hennen eine Zeit lang keine oder nur wenige Eier.

Ökopsychologie – die Zukunft?

Peter ist Psychologe und hat sich auf das ziemlich junge Gebiet der Umwelt- oder Ökopsychologie spezialisiert. Er sieht das Ziel der Farm, der sie den Namen „Earth Wisdom Farm“ gegeben haben, nicht nur in der Produktion von Lebensmitteln, sondern auch darin, Menschen und Natur wieder mehr in Einklang zu bringen. Sein Traum ist es in der Zukunft, die Farmarbeit mit dem Erleben in der Natur als therapeutischem Aspekt zu verbinden. Ihre Farm an der großen Biegung des Takhini Rivers und am Fuße des Ingrim Mountains inmitten einer beeindruckenden Natur und der Stille, 60 Kilometer von Whitehorse entfernt, ist auf jeden Fall ein guter Ort für die innere Einkehr. Dabei lohnt es sich noch zu erwähnen, dass sich die restlichen 10.000 Einwohner des Yukons, die nicht in Whitehorse leben auf ein Gebiet verteilen, das 1,35 mal so groß ist wie Deutschland. Wir wünschen den beiden, dass ihr Projekt weitere Früchte tragen möge.

Einladung

Nach unserem Gespräch und der Rundtour auf der Farm luden uns Enrica und Peter ein, in unserem Wohnmobil auf ihrem Grundstück zu übernachten, was wir gerne in Anspruch nahmen. Sogar zu einem wunderbaren Abendessen wurden wir eingeladen und verbrachten einen lustigen Abend bei leckerem Essen. Vielen Dank dafür.

Mitstreiter

Stand der Grizzly Valley Farm auf dem "Firewheed Community Market" in WhitehorseSo wie Enrica und Peter gibt es noch weitere ökologisch anbauende Individualisten im Yukon. Jeden Donnerstag während des Sommers findet in Whitehorse ein Wochenmarkt statt, auf dem  lokale Erzeugnisse (nicht nur ökologische) verkauft werden. Hier trafen wir auf weitere Ökobauern der Region. Wir sprechen mit einigen und es stellt sich heraus, dass die meisten nicht von der Farm allein leben können, sondern noch andere Jobs nebenher haben, oder ein Ehepartner einer Vollzeitbeschäftigung außerhalb der Farm nachgeht.
Jeden Donnerstag von 15-20 Uhr findet während des Sommers der Wochenmarkt mit lokalen Produkten in Whitehorse statt.Die Produkte aber erfreuen sich großer Beliebtheit. Tom von der Aurora Mountain Farm berichtet, dass er seine Hühner auf Vorbestellung verkauft und sie meist verkauft sind, noch bevor sie geschlachtet werden.
Insgesamt gibt es 15 Farmen im Yukon, die sich dem ökologischen Anbau verschrieben haben, sechs davon haben sich zertifizieren lassen, die anderen produzieren nach eigener Aussage ökologisch, sparen sich aber die Kosten für die Zertifizierung. Einige produzieren teils ökologisch teils konventionell. Wobei der Gemüseanbau ökologisch und die Tieraufzucht meist konventionell betrieben wird. Das kommt daher, dass das Beschaffen von ökologischem Tierfutter kostspielig ist, weil es kaum im Yukon produziert wird.

Landwirtschaft im Yukon

Landwirtschaft wird im Yukon betrieben, seit die ersten europäischen Siedler während des Goldrausches hier her kamen. Im ganzen Yukon Territorium gibt es etwa 160 Farmen. 70 Prozent befinden sich in einem Radius von 100 Kilometern um Whitehorse herum.  Laut dem Bericht des Yukon Landwirtschaftsministeriums von 2010 befindet sich die landwirtschaftliche Hauptaktivität des Yukon in der Gegend von Whitehorse zwischen Marsh Lake und Lake Laberge. Die größte landwirtschaftliche Region sei das Zentralyukon zwischen Carmarcks und Dawson City. Diese Region war die erste in der sich Landwirtschaft auf Grund der Minenaktivität entwickelte. In der Hochzeit des Goldrausches lebten 30.000 Menschen in Dawson City.  Die Stadt ist bekannt für ihren sehr fruchtbaren Boden. Obwohl sie 500 Kilometer nördlich von Whitehorse liegt, ist das Klima hier etwas milder.

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