Die Kanadische Defensive

Es gibt einen Witz über die Haltung der Kanadier, den wir jetzt schon von verschiedenen Seiten gehört haben. Der geht so: Wenn ein US-Amerikaner sauer ist auf seinen Nachbarn, weil der ihn zum wiederholten mal stört, dann sagt der Amerikaner: „Jetzt reicht es mir, ich werde mein Gewehr holen und ihn erschießen.“ Wenn ein Kanadier in der selben Situation steckt, sagt er: „Jetzt reicht es mir aber, ich werde mich jetzt hinsetzen und ihm einen Brief schreiben.“

Verkehr

Wir erfahren die defensive Haltung der Kanadier täglich im Straßenverkehr. Die Autofahrer sind sehr rücksichtsvoll und zurückhaltend. Aggressivität kommt im Straßenverkehr kaum vor. Wenn ein Fußgänger die Straße überqueren möchte, wird sowohl an Fußgängerüberwegen, als auch dort wo keine sind, in der Regel sofort angehalten. Man muss aufpassen, dass man nicht gedankenverloren oder suchend am Straßenrand steht, wenn man nicht über die Straße will, sonst hält man den Verkehr auf. Aber auch das wird einem nicht krumm genommen. In Whitehorse fühlten wir uns einmal wie auf dem roten Teppich. Wir standen an einem Fußgängerüberweg an einer vierspurigen Straße bei sehr dichtem Verkehr. Es dauerte höchstens zwei Sekunden bis der komplette Verkehr aus beiden Richtungen still stand.

Aber auch unter den Autofahrern ist das Verhalten sehr rücksichtsvoll. Wenn man die Fahrbahn wechseln will, wird man immer reingelassen, selbst uns lassen sie mit dem dicken Wohnmobil einfach einfädeln und versuchen nicht noch schnell Gas zu geben, um an uns vorbei zu ziehen. Auch wenn wir mit dem Wohnmobil langsam über eine Landstraße fahren, bleiben die Autofahrer hinter uns meist total gelassen, fahren nicht dicht auf und haben es mit dem Überholen nicht eilig. Auf mehrspurigen Freeways, die den deutschen Autobahnen entsprechen, wird nicht gedrängelt und eine Lichthupe haben wir noch nie erlebt. Nur die Trucker haben es eilig und fahren schon mal dicht auf.

Schlange stehen

Was mich total umgehauen hat, ist das Schlange stehen an der Bushaltestelle im strömenden Regen! Anstatt unter dem einen Meter entfernten, schützenden Dach des Bushäuschens im Pulk zu stehen, bilden die Kanadier eine Schlange – im Regen. Selbst wenn der Bus noch gar nicht da ist. Allerdings waren auch alle mit Schirm oder Regenjacke ausgerüstet. Das erlebten wir in Vancouver, wo es bekanntlich sehr viel regnet. Offensichtlich gehört der Regenschirm hier zur Grundausstattung.

Es scheint so zu sein, dass die Kanadier eine sehr rücksichtsvolle Grundhaltung haben und sehr darauf bedacht sind, andere nicht zu stören oder zu belästigen. So ist zum Beispiel auch das Benutzen von übermäßig Deodorant und Parfüm nicht gern gesehen und das Rauchen ist schon lange in öffentlichen Bereichen untersagt.

Gar nicht defensiv sind Kanadier allerdings wenn darum geht Kontakte zu knüpfen. Sie sind anderen Menschen gegenüber gewöhnlich sehr offen und kommunikationsfreudig. Wir stellen immer wieder fest, dass man sehr leicht mit Menschen ins Gespräch kommt, wenn man sie anspricht und andererseits werden auch wir oft unverhofft angesprochen. Auch in punkto Hilfsbereitschaft erleben wir die Kanadier sehr aktiv –  immer bereit zu helfen.

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