Alle zehn Finger und mehr

Wir haben es zum ersten Mal gewagt. Seit einem halben Jahr sind wir jetzt in Kanada und sind im Süden Saskatchewans, Albertas und British Columbias oft in der Nähe der Grenze zur USA entlang gefahren. Doch irgendwie hat es uns nie über die Grenze gezogen. Irgend etwas hat uns zurück gehalten. Auch wenn man von allen Seiten hört, dass in den USA Benzin und Lebensmittel viel billiger seien als in Kanada. Jetzt aber, haben wir es gewagt. Wir sind über den kleinen Grenzübergang Aldergrove/Lynden gefahren. Doch so einfach fahren geht nicht.

Ein grüner Zettel als Eintritt

Wir Europäer sind ja mittlerweile von Grenzkontrollen entwöhnt. So war das seit langem für uns mal wieder ganz neu, eine Grenze mit Kontrolle zu passieren. Wir reihten uns in die Schlange der wartenden Autos ein. Im Stopp und Go gelangten wir zu einem der Grenzkontrollhäuschen mit einem Beamten, der unsere Pässe durch einen Apparat zog. Was wir in den USA tun wollen, wohin wir fahren und wie lange wir bleiben, wollte er wissen und schickte uns mit einem roten Zettel in das Zollgebäude. Alle Nicht-Kanadier müssen hier einen Stopp einlegen, bevor sie über die Grenze dürfen. Auf einem grünen Zettel mussten wir nicht nur Namen, Passnummer, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit eintragen, sondern auch unglaubliche Fragen beantworten, immerhin gab es das Formular sogar auf deutsch.

Schon mal Völkermord begangen?

Man wollte von uns u.a. wissen, ob der Zweck unserer Einreise zur Durchführung eines Verbrechens, einer terroristischen Tat oder zum Drogenschmuggel dient. Ob wir am Völkermord zwischen 1933 und 1945 des Nationalsozialistischen Regimes beteiligt waren und ob wir Drogen konsumieren oder ein amerikanisches Kind unrechtmäßig festhalten. Wenn man eine dieser Fragen mit ja beantwortet, so klärt das Formular auf, könne die Einreise verweigert werden. Dann darf man noch unterschreiben, dass man gegen die Entscheidung des Zollbeamten keine Rechtsmittel einlegen wird. Zu guter Letzt werden alle zehn (!) Fingerkuppen gescannt und heimlich ein Passfoto gemacht. Ein Teil des grünen Zettels wird abgetrennt und in den Pass getackert. Er erlaubt uns nun gegen Bezahlung von 6 US$ pro Person in den nächsten drei Monaten in die USA einzureisen, so oft wir wollen, oder auch so lange dort zu bleiben. Bevor diese Erlaubnis abläuft, muss der grüne Zettel unbedingt wieder an der Grenze abgeben werden, damit sichergestellt ist, dass wir nicht unerlaubt länger in den USA bleiben.

Registriert

Nun hat die Heimatschutzbehörde der USA mehr Daten über uns gespeichert als Deutschland, dessen Staatsbürgerschaft wir besitzen oder Kanada, das Land in dem wir leben. Sie haben die Fingerabdrücke aller zehn Finger, ein Foto, den eingescannten Pass und unsere Kreditkartennummer, da wir mit dieser die Gebühr bezahlen mussten. Und wahrscheinlich auch das Autokennzeichen, denn schon bei der ersten Kontrolle wurde unser Fahrzeug fotografiert. Herzlich Willkommen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, 1984 ist längst Alltag. Die Frage, wie lange unsere Daten gespeichert bleiben, verstand der Zollbeamte nicht wirklich. Er sagte, dass wir nun drei Monate einreisen dürfen und dass sie das nächste Mal beim Beantragen des „Eintritts“ nur noch die Finger einer Hand scannen. Wir hatten aber trotzdem noch einen schönen Ausflug.

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